Der XXL Yoga Trend: Lasst dicke Yogis um uns sein!
Die Amerikanerin Jessamyn Stanley entdeckte 2011 ihre Liebe zum Yoga. Sie schwitzte im Studio, sie lernte, übte und veröffentlichte in sozialen Netzwerken Fotos von sich – in allen nur erdenklichen Yogaposen. Bis hierher keine ungewöhnliche Geschichte, wäre da nicht die Sache mit Jessamyns Gewicht. Sie selbst bezeichnete sich öffentlich als „fette Frau, die Yoga praktiziert“. Und in der Tat, ihr Körper entsprach so gar nicht dem Klischee von Askese – Jessamyn Stanley war extrem übergewichtig. Aber die junge Yogaschülerin brachte neben Enthusiasmus und Energie viel Talent mit – und ein starkes Selbstbewusstsein. Ermutigt durch die positive Resonanz auf ihre Instagram-Bilder startete sie eine Crowdfunding-Kampagne, um sich am Asheville Yoga Center von Kimberley Puryear zur Yogalehrerin ausbilden zu lassen. Damit erfüllte sie sich den Traum, ihr geliebtes Hobby zum Beruf zu machen und auch andere Menschen mit einer XXL-Figur für Yoga zu begeistern. Der Erfolg gab ihr Recht: Es schien so, als hätten viele nur darauf gewartet, einen neuen Trend zu initiieren. Curvy Yoga, Fat Yoga, Yoga XXL, Plus Size Yoga, Big Yoga … unterschiedliche Bezeichnungen für eine gemeinsame Überzeugung: Auch für Dicke ist Hatha Yoga praktikabel! Die Asanas bereiten Spaß statt Leistungsdruck und sie fördern eine positive Körperwahrnehmung.
Yoga und Übergewicht: Size doesn’t matter – die Größe ist egal!
Sicher besitzt nicht jede/r stark Übergewichtige die Beweglichkeit und Ausdauer der Trendsetterin aus North Carolina. Dennoch gilt, dass nicht der Körper der limitierende Faktor ist, sondern der Kopf. Wer dort einen Schalter umlegt und positiv an die neue Erfahrung Yoga herangeht, wird von Tag zu Tag lockerer und flexibler. Und man muss die Yogamatte auch nicht verschämt zu Hause im stillen Kämmerlein ausrollen: Im Gegenteil, gemeinsam mit anderen schwinden die anfänglich vielleicht noch vorhandenen Hemmungen, während die Motivation wächst. Auch in Deutschland ist XXL-Yoga angekommen. Es gibt besonders gelenkschonende Kurse speziell für Menschen mit Adipositas, aber auch Angebote, bei denen weder Übergewicht im Mittelpunkt steht noch das Abnehmen, sondern die Veränderung der Sichtweisen. Das anzunehmen, was einem guttut und gleichermaßen das Loslassen zu üben. Was auffällt, ist das weitgehende Fehlen von XXL-Männern: Weder als Schüler noch als Yogi oder Lehrer treten sie bislang in Erscheinung. Das Yogafeld der Üppigen beackern fast ausschließlich Frauen. So beispielsweise Anja Liedtke, die einst bei einer Yoga-Probestunde zu hören bekam, sie möge sich doch bitte ganz nach hinten stellen, sonst versperre sie anderen die Sicht. Heute steht die XXL-Frau ganz vorne – als Yogalehrerin mit einem eigenen Programm für Menschen, „die mehr drauf haben“.
Körpergerechtes Yoga für Plus-Size-Größen
Der Bedarf an Ratgebern und Kursen für weniger schlanke, durchtrainierte und fitte Yogafans ist definitiv da. Inzwischen sind die ersten deutschsprachigen Bücher zum Thema erschienen: „Yoga X Large“ zum Beispiel. Autorin Birgit Feliz Carrasco hat bereits zahlreiche Yogabücher veröffentlicht; dieses richtet sich jedoch speziell an Übergewichtige, die Yoga praktizieren möchten. Dazu gehört für die Heilpraktikerin und Yoga-Therapeutin auch die Lebensausrichtung hin zu mehr Offenheit und Achtsamkeit. Kein Mensch sollte sich über die Konfektionsgröße definieren oder sich gar auf sie reduzieren lassen. Dieser Überzeugung vertreten auch andere Yogalehrerinnen, die sich mit XXL Yoga befassen. Die Frage nach dem „Warum“ stellt sich für sie gar nicht, denn schließlich müssen Untergewichtige ja auch nicht ständig erklären, warum sie Yoga praktizieren können, obwohl sie so dünn sind. Die Körperfülle kann bei vielen Asanas eine besondere Herausforderung darstellen, aber keine unüberwindbare. Statt vom Work-out spricht Andrea Liedtke vom Work-in – ein schönes Bild, das genau verdeutlicht, um was es geht. Und das ist nicht in erster Linie das Abnehmen, obwohl dieses sich auf lange Sicht kaum verhindern lässt. Das hat auch Jessamyn Stanley erfahren, und der Verlust von 30 Kilogramm Körpergewicht war ihr als „Aushängeschild“ der XXL-Bewegung gar nicht so recht. Aber sie musste erkennen, dass Yoga, so wie sie es betreibt, als körperlich herausforderndes Training zwangsläufig an die Substanz geht. Darauf angelegt hat sie es nicht.
Bild © Apirut_siri
Autorenprofil
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Nick ist seit vielen Jahren begeisterter Yogaanhänger.
Er glaubt fest daran, dass Yoga dabei hilft, dass Menschen friedlicher werden können und so unsere Erde eine bessere wird.
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